Die Ausstellung „WAS VOM ENDE BLEIBT“ ist eine sinnlich-ästhetische Reise in die Welt der Feuerbestattung.
02. Dezember 2023 – 03. März 2024
Eröffnung: 01. Dezember 2023 | 18 Uhr
Gespräch mit Tina Ruisinger
Musikalische Performance: Bene Schuba
Die Fotografien von Tina Ruisinger sind sensible Aufnahmen von 50 menschlichen Aschen sowie großformatige Porträts von Objekten, die zu Lebzeiten meist einen medizinischen Nutzen für die
Verstorbenen hatten. Die Ausstellung wird am 1. Dezember im Museum für Sepulkralkultur eröffnet.
Die 1969 in Stuttgart geborene Fotografin Tina Ruisinger arbeitet seit den frühen 1990er-Jahren in den Bereichen Reportage, Porträt und Tanzfotografie. Auch interdisziplinäre Kunstprojekte
gehören zu ihrem Schaffen. Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens hat hierbei einen hohen Stellenwert. Im Rahmen eines außergewöhnlichen Projekts hat sie die menschlichen Überreste
nach einer Feuerbestattung ‚porträtiert‘.
Der Zyklus „50 Aschen“, den das Museum für Sepulkralkultur für seine Sammlung ankaufen konnte, besteht aus Fotografien, die menschliche Asche sowie darin beinhaltete Implantate wie
Herzschrittmacher oder künstliche Gelenke zeigen. Auch mit in die Kremation gegebene Beigaben wie Brille, Taschenmesser oder Golfschläger haben das Interesse von Tina Ruisinger geweckt. In einem
ersten Schritt hat sie die kompletten Überreste, die rein technisch im unteren Bereich des Kremationsofen auf einem Rost aufgefangen werden, fotografiert. Die Vielfalt der Ansichten des doch
vermeintlich immer gleichen Materials aus Knochenresten und Asche überrascht: In Form und Farbe scheint eine vermeintliche Individualität des Leichenbrands aufzuscheinen. Sind dies Projektionen
des Betrachters, der weiß, dass es die Aschen von 50 Menschen sind, die in ihren Särgen verbrannt wurden? Oder zeigt sich hier nicht tatsächlich die Einmaligkeit eines jeden Individuums in seinen
Überresten?
Damit die Besucher*innen der Ausstellung sich selbst ein Bild eines Vorgangs machen können, der jährlich rund 750.000 Leichen in Deutschland betrifft, hat sich Tina Ruisinger entschieden, bei der
Rahmung kein Glas vor die Fotografien setzen zu lassen. In einfachen Holzrahmen zeigen sich die Fotos in einer unmittelbaren Eindrücklichkeit.
Fotografien von Implantaten
Neben den 50 Aschen hat Tina Ruisinger auch Implantate fotografiert. Vor schwarzem Hintergrund schweben die von Asche befreiten Objekte wie unbekannte Gegenstände aus fremden Kulturen. Manches
gibt sich in seiner ursprünglichen Funktion zu erkennen, und anderes wirkt tatsächlich so, als seien es Funde aus archäologischen Grabungen oder gar extraterrestrischen Zivilisationen.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Feuerbestattung (aktuell Anteil von rund 75%) zur wichtigsten Bestattungsform in Deutschland, aber auch der Schweiz, wo Tina Ruisinger lebt und
arbeitet, entwickelt. Neben der Erdbestattung ist sie die für unseren Kulturkreis wichtigste Bestattungsart. Ruisingers Fotografien bringen uns dem Phänomen Kremation näher, indem sie das zeigen,
was für gewöhnlich nicht sichtbar ist. Nach der Kremation werden die medizintechnischen Implantate aussortiert und die Knochenreste zerkleinert, um diese in eine Aschekapsel füllen zu können.
Rund drei bis dreieinhalb Liter Volumen besitzt der Leichenbrand, der in anderen europäischen Ländern zahlreiche Formen der Beisetzung oder Weiterverarbeitung zulässt, so etwa das Verstreuen in
der Natur oder die Produktion von Erinnerungsdiamanten.
„Was vom Ende bleibt“ ist eine sinnlich-ästhetische Reise in die Welt der Feuerbestattung. Sie ist zugleich Dokumentation und Wunderkammer. Sie ist eine phänomenologische Bestandsaufnahme einer
alltäglichen Praxis, ohne technische Vorgänge abzubilden. Tina Ruisinger hat mit ihren Fotoapparaten und Objektiven genau hingeschaut, um zu objektivieren, was für die durch den Tod eines
Angehörigen betroffenen Menschen höchst subjektives Leiden und individuelle Trauer bedeutet.
Tina Ruisinger, 1969 in Stuttgart geboren, hat an der Hamburger Fotoschule, am International Center of Photography in New York und an der Zürcher Hochschule der Künste studiert. Seit 1992
arbeitet sie als freischaffende Fotografin in den Bereichen Reportage, Porträt und Tanz, sowie an interdisziplinären künstlerischen Projekten unter Verwendung von Fotografie, Video, Sound und
Text. Schwerpunkt ihrer Arbeit war immer der Mensch in seiner Lebenskraft, Unbeständigkeit und Sterblichkeit. So erzählt etwa das Buch „Traces - eine Spurensuche“ (2017) von den Dingen, die
zurückbleiben, wenn ein Mensch stirbt. Ruisinger hat zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen und ihre Arbeit international sowohl in Einzel- als auch in Gruppen-ausstellungen gezeigt. Seit 2018
arbeitet sie vermehrt künstlerisch und fototherapeutisch mit Menschen im letzten Lebensabschnitt und bildet sich fortlaufend in Fototherapie, Palliative Care und Sterbebegleitung weiter. Tina
Ruisinger lebt und arbeitet in Zürich und Berlin.