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Für und wider Kremation


Die Autorin

Dr. Silke Kral

Dr. phil., M.A., Kulturwissenschaftlerin/

Leiterin des „Wilhelm Ostwald Park Großbothen, Gerda und Klaus Tschira Stiftung“, Museums- und Tagungsstätte in Sachsen
 

Nach dem Studium der Volkskunde, Germanistik und Neueren und Neuesten Geschichte in Freiburg i.Br. wissenschaftliches Museumsvolontariat. Promotion an der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel. Professionelle Projektentwicklung, Projektorganisation und Projektbegleitung für Museen, Wirtschaft und Industrie, Verlag und Rundfunk. Seit 2006 Organisation verschiedener Veranstaltungen zu Sterben, Tod, Trauer und Abschied nehmen; Veröffentlichungen und Vorträge.

 

Befürworter der Kremation

Mit dem Durchbruch der industriellen Revolution auch im Bestattungswesen entstand in Deutschland eine von Vereinen mit fast missionarischen Zügen versehene Feuerbestattungs-Bewegung, auf deren Initiative die ersten deutschen Krematorien in Gotha (1878), Heidelberg (1891) und Hamburg (1892) gebaut wurden. Die Anhänger der Feuerbestattung sahen sich als Träger gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritts und verwendeten im Zusammenhang mit der Kremation z.B. häufig die Begriffe „Fortschritt“ oder „Zivilisation“. Sie entwarfen eine Ästhetik der Einäscherung.

Gegenwind
Doch die Bewegung für die Krematorien hatte – nicht nur mit den Kirchen – gewaltige Gegner, denn diese befürchteten den schwindenden gesellschaftlichen Einfluss auf einem ihrer klassischen Betätigungsfelder. Die Übergabe des Leichnams an eine Verbrennungsmaschinerie wurde als Pietätlosigkeit empfunden, da die Tradition der christlichen Bestattung (mit Einbindung in den liturgischen Ablauf) ad absurdum geführt war. Insbesondere von juristischer Seite lautete das Gegenargument, durch die Einäscherung würde forensisch bedeutsames Beweismaterial unwiederbringlich für immer vernichtet. Anti-Begriffe der Presse-Berichterstattung zu Beginn des 20. Jahrhunderts lauteten: Grausam, heidnisch, irreligiös, Illusion zerstörend.

Letztlich wurde die Verbrennung dem öffentlichen Blick aktiv über die Architektur entzogen – mit der Verbannung der Einäscherungsanlage in das abgelegene Untergeschoss der Krematorien. Die Trennung der Trauergesellschaft von der Technik war vollzogen. Bahnte sich über die Verbrennung eine – im Zuge der städtischen Bodenverknappung – Platz sparende und hygienisch einwandfreie Lösung an, bekam das Unsichtbarmachen des Verbrennungsvorganges vor dem Auge der Trauernden auch etwas Unheimliches.

International zählte das Deutsche Reich vor dem Ersten Weltkrieg [neben dem Pionierland Italien] zu den führenden Staaten bei der Feuerbestattung. Deutschland nahm eine internationale Spitzenstellung ein. Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg wurden die deutschen Krematorien sehr stark in Anspruch genommen – mit der Einrichtung von Feuerbestattungskassen aufgrund kommunaler Gebührenpolitik. Zuvor hatten die 1911 im preußischen Gesetz verankerten restriktiven Bestimmungen die Einäscherung für ärmere Schichten erschwert, da die Einäscherungsgebühren nicht günstiger sein durften als eine Erdbestattung.

Die Krematorien wurden „...zum architektonischen Zeugnis eines modernen, pragmatisch-technischen Umgangs mit dem Tod, weil es die Bestattung durch möglichst reibungslose und ineinander greifende Abläufe funktionalisiert und effizienter gestaltet hat.“ Sie gestalteten sich multifunktional: als Aufbewahrungsort des Leichnams, Ort der Trauerfeier und Ort der Einäscherung bzw. Ort der Beisetzung – viele Krematorien wurden mit Urnenwänden (Kolumbarien) und Urnenfriedhöfen ausgestattet.

Hatte die Feuerbestattung Anfang der 1920-er Jahre an Exklusivität verloren, war sie dennoch nicht weit verbreitet. Der Blick auf die soziale Zusammensetzung der Eingeäscherten offenbart, dass diese aus dem bürgerlichen Mittelstand kamen: „Kaufleute und andere Gewerbetreibende, Beamte, freie wissenschaftliche und künstlerische Berufe.“ Der Anteil der Arbeiter stieg in der Zeit der Weimarer Republik – aufgrund der Aktivitäten der Feuerbestattungskassen, die sich der Arbeiterbewegung verbunden sahen – gleichsam an.

Insgesamt blieb der gesellschaftliche Umgang mit der Einäscherung zwiespältig. Der „... nach wie vor ambivalente Umgang mit dem technisierten Tod, insbesondere die Ausgrenzung des Verbrennungsapparates, stand ... in eigentümlichem Gegensatz zur wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Feuerbestattung“.