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Historisches


Die Autorin

Dr. Silke Kral

Dr. phil., M.A., Kulturwissenschaftlerin/

Leiterin des „Wilhelm Ostwald Park Großbothen, Gerda und Klaus Tschira Stiftung“, Museums- und Tagungsstätte in Sachsen
 

Nach dem Studium der Volkskunde, Germanistik und Neueren und Neuesten Geschichte in Freiburg i.Br. wissenschaftliches Museumsvolontariat. Promotion an der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel. Professionelle Projektentwicklung, Projektorganisation und Projektbegleitung für Museen, Wirtschaft und Industrie, Verlag und Rundfunk. Seit 2006 Organisation verschiedener Veranstaltungen zu Sterben, Tod, Trauer und Abschied nehmen; Veröffentlichungen und Vorträge.

Von dem lateinischen Begriff cremare (= verbrennen) abgeleitet, bezeichnet die Feuerbestattung (Kremation) den Vorgang des Verbrennens eines Verstorbenen. Schon in der Antike war die Feuerbestattung die häufigste Bestattungsform – sie war keine Erfindung des Industriezeitalters. Dem Feuer wurde über die Zeiten hinweg durchgehend eine reinigende Wirkung zugesprochen.

 

Von den Germanen hieß es, dass sie die Leichen angesehener Personen mit ausgewählten Hölzern verbrannten und darüber einen Rasenhügel errichteten. Im Römischen Reich galt die Leichenverbrennung wegen ihrer hohen Holzkosten als soziales Privileg – vorchristliche Leichenverbrennungen fanden auf offenem Scheiterhaufen statt.

 

Vergegenwärtigen wir uns die Geschichte der Kremation in Deutschland – geprägt von der wechselseitigen Beeinflussung von Technik, Kultur und Gesellschaft – so liegt deren Beginn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mitte der 1870-er Jahre kam der Begriff „Feuerbestattung“ auf und ersetzte den zuvor gebräuchlichen Begriff der Leichenverbrennung. Der neue Begriff deutet eine grundlegende Reform im Bestattungswesen an.

 

Maßgebend für den Durchbruch der modernen Feuerbestattung waren die mit der Industrialisierung auftretenden Probleme im städtischen Bestattungswesen, begünstigt vom zunehmenden Bedeutungsverlust der Kirchen. Rapides Bevölkerungswachstum, Raum- und bisweilen auch hygienische Probleme veranlassten insbesondere Mediziner und Hygieniker zu massiver Kritik an den Überbelegungen auf den Friedhöfen und den aufgetretenen Bestattungen in Massengruben in mehreren Lagen übereinander.

 

Die Experten sprachen sich – auf medizinischen Fachkongressen – für eine Bestattungs-Reform aus. Öffentliches Gesprächsthema wurde die Feuerbestattung 1873 nach einer Vorführung auf der Weltausstellung in Wien.


Nationalsozialismus

© fotolia/Alexander Zam

Wurden die Krematorien im späten 19. Jahrhundert als Inbegriff von Zivilisation und Fortschritt gefeiert, gerieten sie unter den diktatorischen Bedingungen zum Maßstab für Massenvernichtung und Menschen-Beseitigung.

 

Das Kennzeichen der rigorosen NS-Politik war mit der Machtergreifung 1933 die Verletzung des reformorientierten Ansatzes der Feuerbestattung, die nun im Sinne der Rassenpolitik als ideologisches Kampfinstrument eingesetzt wurde. Die Feuerbestattungsvereine wurden von der NS-Organisation völlig aufgesogen . Die Verbrennung durfte nur in behördlich genehmigten Anlagen erfolgen. 1934 trat das neue Reichsgesetz über die Feuerbestattung in Kraft, das als einzige Neuerung die Feuerbestattung mit der Erdbestattung gleichstellte und die Bestimmungen vereinheitlichte.

 

Tötung und Vernichtung in den Krematorien der Lager waren der Höhepunkt barbarischen Handelns. Die technische Weiterentwicklung der Verbrennungsöfen bei gleichzeitiger Tabuisierung der technischen Bereiche seit Beginn der Feuerbestattung, konnte dazu beitragen, die Spuren der Verbrechen zu beseitigen. Rasch waren die Lager mit Einäscherungsanlagen ausgerüstet: Dachau (1939); Buchenwald (1940); Neuengamme (1942); Ravensbrück; Majdanek; Sachsenhausen; Auschwitz/Birkenau. „So wurden die Krematorien zum letzten Element einer immer weiter perfektionierten, zynisch-brutalen Tötungsmaschinerie“.